Wie innovative Bildtechniken unseren Blick auf die Arbeitswelt verändern
Ein Interview mit Kathleen Schröter, Leiterin Marketing und Kommunikation am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut HHI und Executive Manager des Innovation Center for Immersive Imaging Technologies Berlin – 3IT
Frau Schröter, Sie sind die Managerin des Innovation Center for Immersive Imaging Technologies Berlin, kurz 3IT. Was steht aktuell im Mittelpunkt Ihrer Arbeit?
Die Nutzung von Volumetric Video ist auf jeden Fall einer der Schwerpunkte. Das ist sozusagen das Gegenstück zu 360-Grad-Videos, bei denen die Kameras von einem Mittelpunkt aus die weite Perspektive filmen. Bei Volumetric Video ist stattdessen der Mensch in der Mitte, und es werden viele Kameras aus unterschiedlichen Perspektiven auf ihn gerichtet und somit Mimik und Gestik eingefangen. Das Ergebnis ist ein dreidimensionales Video, eine 3D Human Body Reconstruction. Verknüpft mit Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen kann man diese Rekonstruktion verändern. Wurden zuvor Bewegungen, etwa das Anheben der Arme, aufgenommen, kann die 3D-Rekonstruktion per Joystick entsprechend bewegt werden. Es entsteht eine 3D-Welt, in der man nicht nur Betrachter, sondern aktiver Teilnehmer sein kann. Das lässt sich nicht nur im Entertainment-Bereich nutzen, sondern zum Beispiel auch in der Medizin.
Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es für 3D-Darstellungen in der Medizin?
In einem aktuellen Projekt arbeiten wir am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut mit der Berliner Universitätsklinik Charité und dem Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften zusammen. Dabei geht es darum, für Parkinson-, Schlaganfall- oder auch Alzheimerpatienten mit Volumetric Video eine geschützte Umgebung zu schaffen, in der sie Koordination und Gehirnaktivitäten trainieren können. Die Patienten gewinnen so Selbstbewusstsein und Sicherheit, etwa wenn sie die Orientierung im Alltag in einem virtuellen Supermarkt üben. Um die Unterstützung von Ärzten geht es uns am 3IT im vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt 3DInMed: Mit 3D-Endoskopen und -Mikroskopen werden bei einer Operation Bilder so auf ein Display ausgespielt, dass sie auch ohne eine störende Brille dreidimensional wahrnehmbar sind. Das führt zu schnelleren, risikoärmeren Operationen, bei denen sich auch ein Tumor effizienter entfernen lässt.
Das 3IT zählt mittlerweile rund 45 Partner, allesamt Innovationstreiber aus Wirtschaft und Wissenschaft. Gemeinsam möchten wir zeigen, was mit immersiven Bildtechnologien möglich ist.Kathleen Schröter, Executive Manager des 3IT
Was zeichnet das Innovation Center for Immersive Imaging Technologies aus?
Der Prototyp des ersten kommerziellen Studios für Volumetric Video auf dem europäischen Festland wurde im 3IT gebaut. Im Juni 2018 haben wir gemeinsam als Betreibergesellschaft Volucap feierlich eröffnet. Weltweit gibt es nur etwa fünf weitere Unternehmen, die sich auf vergleichbarem Niveau mit Volumetric Video beschäftigen, zum Beispiel Microsoft. Der international führende Filmausrüster ARRI ist einer der 3IT-Partner, die als Betreiber an der Volucap GmbH beteiligt sind. Die Arbeit des 3IT wird international wahrgenommen, auch weil wir weltweit gut vernetzt sind.
Was sind Ihre internationalen Netzwerke?
Wir sind unter anderem Mitglied der Advanced Imgaging Society. Regelmäßig nehmen wir an Fachmessen wie der International Broadcasting Convention (IBC) in Amsterdam oder der Messe der National Association of Broadcasters (NAB) in Las Vegas teil. Ich bin auch persönlich viel unterwegs: Im Oktober 2018 habe ich zum Beispiel an der Veranstaltung „Transatlantic and Interdisciplinary Take on the Future of XR“ des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses New York teilgenommen. Das war ein besonders inspirierendes Umfeld für die Präsentation unserer Forschung. Solche Veranstaltungen stärken die Wahrnehmung Deutschlands als wichtiger Standort für Innovationen.
Sehen Sie sich auch als Botschafterin für die Chancen von Frauen in der oft noch männerdominierten Tech-Welt?
Ein Stück weit schon, zumal ich als studierte Wirtschaftswissenschaftlerin sozusagen eine Quereinsteigerin bin. Aber einem Fachkräftemangel müssen wir ganz grundsätzlich begegnen und möglichst viele Menschen für technisch geprägte Berufe und die damit verbundenen Innovationen begeistern. Das 3IT bietet dafür mit seiner Ausstellungsfläche, mit einem Kino und Studio sowie Workshops und Bildungsangeboten für unterschiedliche Altersgruppen viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass wir Technik nicht nur konsumieren und passiv auf die nächste Innovation warten. Es gilt, diese Innovationen möglichst aktiv mitzugestalten.