„Im Bereich Entrepreneurship hat Deutschlands Image einen positiven Wandel vollzogen“

Benedikt Brisch © DAAD/Ambika Singh

Benedikt Brisch, Direktor des DWIH New York, über ein dynamisches Jahr 2022 und die neuen Entwicklungen in der transatlantischen Zusammenarbeit.

Herr Brisch, Sie sind seit 2019 Leiter des DWIH New York und beobachten den transatlantischen Austausch in den Feldern Wissenschaft und Innovation genau. Welchen Stellenwert hatte das vergangene Jahr für Sie?

Das Jahr war geprägt von einer starken wirtschaftlichen Dynamik in den USA. Es war spannend zu sehen, wie groß die Bereitschaft in den Vereinigten Staaten nach wie vor ist, massiv in Innovation zu investieren. Sowohl der „CHIPS and Science Act“ als auch der „Inflation Reduction Act“ haben eine bemerkenswerte Dynamik entfaltet. Schließlich sind das massive Investitionsprogramme mit hunderten Milliarden Dollar, die darauf zielen, der amerikanischen Wissenschaft und Wirtschaft bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Klimawandel eine Spitzenstellung zu sichern.

In Deutschland und in Europa werden die beiden Programme durchaus auch kritisch gesehen.

Das stimmt. Aber es besteht zugleich die Chance, dass wir mittel- und langfristig als enger Partner der USA ebenfalls davon profitieren. Zum Beispiel durch Fortschritte beim Klimaschutz und durch mehr Anstrengungen bei den Zukunftsthemen auch bei uns. Es ist eben auch Ausdruck jener zukunftsgerichteten US-amerikanischen Mentalität, die dazu führt, zu sagen: Wenn wir vor globalen Herausforderungen stehen, müssen wir investieren und schauen, dass wir in eine starke Position kommen. Und das ist nach wie vor etwas, das wir uns aus deutscher und europäischer Perspektive genau anschauen sollten und das auch wichtig ist für die Frage, wie wir in Deutschland mit dem Thema Innovation umgehen.

Sie meinen, welche Haltung wir zum Beispiel zu disruptiven, neuen Technologien einnehmen?

Ja, ganz genau. Ein gutes Beispiel ist ja der Start von ChatGPT Ende 2022. Da hat man sehr schnell gemerkt: Das ist jetzt etwas ganz Neues. Plötzlich war Künstliche Intelligenz, bis dahin lange vor allem ein Thema für Expertinnen und Experten, im Alltag der Menschen angekommen. Und wir alle spüren das große Potenzial und natürlich auch Risiken. Alle großen US-amerikanischen Tech-Unternehmen richten sich auf massive Veränderungen durch Künstliche Intelligenz ein. Und dann müssen wir uns als Deutschland und Europa natürlich überlegen, wie wir uns dazu verhalten: Setzen wir weiter eher auf Zurückhaltung und Risikominimierung? Oder investieren wir und engagieren wir uns, um damit die neue Technologie auch selbst prägen und mit steuern zu können?

Wird Deutschland von den USA also immer noch als zu risikoavers wahrgenommen?

Nicht generell. Man kann sagen, dass Deutschland im Bereich Entrepreneurship und Start-ups einen sehr positiven Imagewandel in den USA vollzogen hat. Wir können das unter anderem an unseren Aktivitäten im Rahmen des STEP USA University Program beobachten, welches wir in Partnerschaft mit der AHK New York durchführen, und das Ende September 2022 zum ersten Mal seit der Pandemie auch wieder in Präsenz stattfinden konnte. Damit bieten wir deutschen Start-ups bereits in einer frühen Phase ihres Unternehmens die Gelegenheit, sich am Hotspot New York mit ihrer Geschäftsidee zu präsentieren. Und das New Yorker Publikum war wirklich beeindruckt, wie professionell die Teilnehmenden vor der Jury agierten. Alle konnten ihre Innovationen und Geschäftsideen sehr überzeugend und selbstbewusst darstellen, was in der amerikanischen Geschäftswelt besonders wichtig ist. Gleichzeitig stellten die Gründerinnen und Gründer in den anschließenden Q&A-Runden ihre hohe fachlichen Kompetenz unter Beweis.

Im Grunde also eine perfekte Kombination aus US-amerikanischem Kommunikationstalent und deutscher Genauigkeit?

Wenn man so will, ja. Und dennoch können deutsche Start-ups in solchen Programmen natürlich immer noch viel lernen. Es ist ja nun einmal so, dass im globalen Maßstab die Art und Weise, wie man kommuniziert, nach wie vor sehr stark von den Vereinigten Staaten geprägt ist. Das heißt, es lohnt sich als Start-up in einer recht frühen Phase, sich damit zu beschäftigten, wie man seine Idee bestmöglich kommuniziert und wie man seine Stärken am besten darstellt. Man lernt sozusagen das Handwerk, das man dann weltweit einsetzen kann – und zwar unabhängig davon, ob man die USA, Europa oder Asien für den eigenen Markteintritt im Blick hat.

Wie sieht die Zusammenarbeit der USA mit Deutschland im Bereich Klimaschutz aus? Das Schwerpunktthema der DWIH 2022 lautete ja „Nachhaltige Innovationen“.

Da muss man sagen, dass die deutsche Energiewende in den USA durchaus kritisch reflektiert wird. Besonders die verstärkte Kohleverstromung in Deutschland zum Ausgleich von Versorgungslücken löst hier einige Verwunderung aus. Dass Deutschland sich als Industriestandort mit hoher Leistungsfähigkeit entscheidet, erneuerbare Energien in den Fokus zu nehmen und zu stärken und das mit technischen Lösungen, politischen Entscheidungen und Investitionen voranzutreiben, stößt auf Anerkennung. Ganz entscheidend ist es, hier im Dialog zu bleiben und eine konstruktive transatlantische Debatte zu führen. Genau darin sehen wir eine wichtige Aufgabe des DWIH New York.

Interview: Klaus Lüber