Wissenschaft fördern, Demokratie stärken

Expertenfrühstück „Science Diplomacy" © DWIH New York

Besonders angesichts globaler Krisen zeigt sich das große Potenzial einer engeren Zusammenarbeit von Wissenschaft und Diplomatie. Ende November 2022 brachte das DWIH New York Akteure aus beiden Handlungsfeldern für ein intensives Netzwerktreffen zusammen.

Im Osten Manhattans, in direkter Nachbarschaft zum Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) New York, befindet sich das Hauptquartier der Vereinten Nationen, eine der wichtigsten Adressen für die Aushandlung weltweiter diplomatischer Beziehungen. Und trotz dieser räumlichen Nähe könnte der Austausch zwischen Forschung und Wissenschaft auf der einen und internationaler Politik auf der anderen Seite intensiver sein. „Wir wissen ja inzwischen, wie wichtig es angesichts multipler globaler Krisen ist, Wissenschaft und Politik im Sinne einer Science Diplomacy noch stärker in den Austausch zu bringen“, so Dr. Jan Lüdert, Programmleiter des DWIH New York. „Aber gerade die institutionelle Integration findet unserer Meinung nach noch zu wenig statt.“

Dafür ist es notwendig, die entsprechenden Akteure besser miteinander zu vernetzen. Und genau das war das Ziel des Expertenfrühstücks „Science Diplomacy in International Organizations – Fostering Multilateral Resilience and Driving Sustainable Innovations“, zu dem das DWIH am 30. November 2022 geladen hatte. Rund 30 Teilnehmende aus führenden Forschungseinrichtungen, den Vereinten Nationen, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen hatten sich zusammengefunden, um einerseits die Rolle der verschiedenen Akteure im heutigen Multilateralismus zu erörtern und andererseits die Bedeutung der Wissenschaftsdiplomatie für internationale Organisationen herauszuarbeiten.

Das DWIH-Schwerpunktthema „Nachhaltige Innovationen“ bildete den Fokus der Veranstaltung. „Wir wollten unter anderem herausfinden, wie wissenschaftsgestütztes politisches Handeln dazu beitragen kann, die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele zu beschleunigen“, so Dr. Lüdert. „Und welche Voraussetzungen es überhaupt braucht, damit sich wertvolle Synergien zwischen Wissenschaft und Politik ergeben können.“ Nach einer Begrüßung von Wolfram von Heynitz, stellvertretender deutscher Generalkonsul in New York, folgten insgesamt drei Kurzvorträge, bevor sich die Teilnehmenden in kleinen Gruppen weiter austauschten.

Science Diplomacy durch Vertrauen ausbauen

Referentin Katarina Kuai, die sich für das United Nations Development Coordination Office (UNDCO) mit dem Thema Innovation befasst, sprach über zwei zentrale Fragen: Was können wir tun, um junge Menschen für den Multilateralismus zu begeistern? Und wie können wir das konstruktive Zusammenspiel von Wissenschaft und Diplomatie fördern? Dabei plädierte sie für eine Diversifizierung der Wissenschaft, auch im Sinne einer stärkeren Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Voraussetzung dafür wäre allerdings, kritisches, wissenschaftliches Denken früh in den Bildungsplänen zu verankern.

Aus Sicht von Dr. Bill Hunter von der Lehigh University in Pennsylvania, Initiator des Partnerschaftsprogramms seiner Hochschule mit den Vereinten Nationen, mangelt es im Augenblick noch an Berührungspunkten zwischen Natur- und Sozialwissenschaften in der schulischen und universitären Bildung. Lehrpläne müssten entsprechend angepasst werden, mit dem Ziel, politische Kompetenzen auch im MINT-Bereich zu fördern. Um bestehende Silos aufzubrechen, könne man etwa auf Techniken der Simulation multilateraler Prozesse zurückgreifen, wie sie auch an der Lehigh University eingesetzt werden. Vor allem aber müsse klar sein, was Wissenschaft im aktuellen Kontext sein kann und darf. „Es war spannend zu sehen, wie in unserer Kleingruppe zunächst darüber diskutiert wurde, was der Begriff Science Diplomacy überhaupt bedeutet“, so Hunter nach der Veranstaltung im Gespräch mit Dr. Lüdert. „Aber genau dieser Impuls zur Verständigung ist extrem wichtig, angesichts des weltweiten Trends zu einer immer stärkeren gesellschaftlichen Polarisierung.“

In eine ähnliche Richtung argumentierte Mathy Stanislaus, Geschäftsführer des Kooperationsprojekts The Environmental Collaboratory zwischen der Drexel University und der Academy of Natural Sciences. Stanislaus sieht eine der größten Herausforderungen darin, das Vertrauen in die Wissenschaft zu bewahren und dort, wo es bereits verloren gegangen ist, wiederherzustellen. Eine wichtige Rolle spielt dabei seiner Meinung nach die Wissenschaftskommunikation. „Vertrauen aufzubauen wird uns nur dann gelingen, wenn wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fähig sind, auch Menschen außerhalb unserer Bubble zu erreichen.“ Das würde zudem bedeuten, Universitäten viel stärker als bisher als Partner in gesellschaftlichen Transformationsprozessen zu begreifen: „Wir müssen alle Interessengruppen auf lokaler und globaler Ebene einbeziehen.“

Dialog für bessere Entscheidungen

Intensiv diskutiert wurden darüber hinaus auch die möglichen realpolitischen Grenzen einer wertebasierten Wissenschaftsdiplomatie. So berichtete DWIH-Direktor Benedikt Brisch von einer entsprechenden Debatte in seiner Gruppe. „Am Beispiel Chinas kann man sehen, wie komplex die Verhältnisse sind“, so Brisch. europäische und amerikanische Forschende arbeiteten sehr gut und erfolgreich mit chinesischen Wissenschaftspartnern zum gegenseitigen Nutzen zusammen. Andererseits gebe es große Unterschiede, beispielsweise hinsichtlich Fragen von kritischer Öffentlichkeit und Meinungsfreiheit. „Dabei ist es wichtig, die eigenen Werte auch mit Argumenten vertreten zu können. Es gibt Grenzen der vertretbaren institutionellen Zusammenarbeit, gleichzeitig kann die Wissenschaft einen Dialog der Zivilgesellschaften befördern und unsere Kenntnis über andere Gesellschaftssysteme verbessern – und somit auch zu besseren Entscheidungen beitragen.“

Dass Wissenschaftsdiplomatie auch in solch herausfordernden Kontexten eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung eines offenen, demokratischen Denkens gegenüber autokratischen Tendenzen spielt, stand außer Frage. „In einer Welt, in der evidenzbasierte Entscheidungsfindung unter Druck geraten ist, gilt es wachsam zu bleiben und Wege zu finden, wie wir die Wissenschaftsdiplomatie stärker als etwas Positives betrachten können, das die Ziele der nachhaltigen Entwicklung auf eine sinnvolle, bewusste und integrative Weise erreichen kann“, fasst Dr. Lüdert eine der entscheidenden Erkenntnisse der Veranstaltung zusammen.

Klaus Lüber

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